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Transkript zu Episode 10: „Die Klimakrise interessiert es nicht, ob wir sie spannend finden oder nicht. Die ist einfach da.“
Was können Medien in der Klimakrise bewegen? Berichterstattung in den Kindernachrichten „logo!“ ist für Luisa Neubauer unentbehrlich. Aber sie fordert auch: Das kann nur ein Anfang sein…
Luisa Neubauer: Ich glaube, es geht gar nicht darum, dass man mehr berichtet, sondern dass man sich ganz grundlegend im Journalismus fragt: Was machen wir denn hier eigentlich?
[Intro] „Generation Alpha – Der KiKA-Podcast“
Inka Kiwit: Wenn Sie das nicht schon längst in der Beschreibung der Folge gelesen haben, dann haben sie es zumindest eben gehört. Das zu Beginn, das war die Klimaaktivistin Luisa Neubauer. Und damit: Hallo zu „Generation Alpha – Der KiKA-Podcast“. Ich bin Inka Kiwit und ich freue mich, dass Sie wieder mit dabei sind. Bleiben wir ganz kurz beim Titel dieser Episode. Was haben Sie beim Lesen gedacht? „Ah, schon wieder ein Umweltthema“ oder eher „Ah, ein Umweltthema“? Der Schutz unserer Umwelt ist das wichtigste Thema, wenn es um die Zukunft der kommenden Generation geht – oder so ähnlich. Ich verspreche Ihnen: Ganz egal, was Sie gedacht haben, es lohnt sich, weiter zu hören. Weil, zumindest ich, jedes Mal wieder dankbar dafür bin, wenn sich ein Medium den Themen Umwelt und Klima mit einfachen Nachfragen, mit konstruktiven Gästen und Gästinnen und ja auch mit Haltung annimmt. Mit Luisa Neubauer haben wir natürlich nicht nur eine Expertin bei Fragen zum Klimaschutz, sondern auch eine Gästin aus der Generation Z, also der Generation, die ganz nah an der Generation Alpha dran ist. Und genau um die geht es ja in unserem Podcast hier und vor allem geht es um ihre Zukunft. Und für die, klar auch für die Zukunft aller Generation, setzt sich Luisa Neubauer ein – mit einer sehr klaren Vision und hier jetzt mit einem Wunsch für die Generation Alpha.
Luisa Neubauer: Dass ihr Platz gemacht wird. Dass die Institutionen ganz selbstverständlich junge Leute einbinden, dass man ganz selbstverständlich junge Menschen auch wählen lässt. Dass man sie ganz selbstverständlich einbindet in die Frage, was man eigentlich an Schulen unterrichtet. Und dass man sie nicht mehr an den Punkt bringt, wo ja viele in meinem Alter sind, dass man eine wahnsinnig gute Ausbildung hat, aber dann feststellt, dass in den allermeisten Orten es überhaupt nicht die Möglichkeit gibt, seine Werte mit der Arbeitswelt zu vereinigen. Und dann weiß man, wie schlimm die Welt ist, um es trotzdem in einer Institution reingehen, in eine Industrie oder ein Unternehmen reingehen, was in keiner Weise der Verantwortung gerecht wird, die wir eigentlich gerade übernehmen müssen.
Inka Kiwit: Wie also unsere Umwelt im besten Fall für die Generation Alpha aussieht in der Zukunft, was wir genau jetzt für unsere Umwelt tun können und was wir als Medien eigentlich damit zu tun haben und auch haben sollten. Genau darüber habe ich mich Luisa Neubauer gesprochen.
Inka Kiwit: Hallo Luisa Neubauer.
Luisa Neubauer: Hi.
Inka Kiwit: Ist es okay, wenn wir uns Duzen? Erste Frage vorweg.
Luisa Neubauer: Aber klar.
Inka Kiwit: Sehr gut, vielen Dank. Ich freue mich auf jeden Fall sehr, dass du da bist. Luisa, ich habe dich bewusst eben nicht anmoderiert und vorgestellt. Das würde ich nämlich gern mit dir zusammen machen. Die meisten, die werden dich eh kennen. Ganz kurze Quick-Recherche zu deiner Person. Luisa Neubauer, jüngstes von vier Geschwistern. Ihr Thema, das ist die Klimakrise. Sie ist Mitglied bei den Grünen, sie ist Veganerin, sie schläft round about sechseinhalb Stunden pro Nacht, und ihr mächtigstes Vorbild ist ihre Mutter.
Luisa Neubauer: Ja, unterm Strich. Ja meine Ernährung ist irgendwie mein ganz großes Thema, auf das ich viel angesprochen werde. Würde mich so ein bisschen als vegan, aber nicht dogmatisch. Also ich entscheide mich dann auch ein bisschen, welche Kämpfe ich kämpfe. Nun, wenn ich bei meiner Großmutter auf der Küchenbank sitze, dann hat sie die Hoheit darüber, was gegessen wird und was auf den Tisch kommt. Und sie ist 89. Und da ist es nicht ein Battleground für den Veganismus. Das ist auch in Ordnung. Und ich kann das sehr empfehlen. Und sie ist aber auch neben meiner Mutter ein großes Vorbild, neben aber auch, muss ich sagen, anderen tollen Frauen, die ich kenne.
Inka Kiwit: Ich würde trotzdem noch einmal ganz kurz gerne bei deiner Mutter bleiben. Mütter, Väter in Kinderjahren sind ja irgendwie so selbstverständlich, so fehlerlose Vorbilder. Also für mich war das jedenfalls so. Was hat denn deine Mutter gemacht, dass sie auch in den späten Jahren noch dein absolutes Vorbild oder jemand war, zudem du so aufgesehen hast?
Luisa Neubauer: Müssen wir kurz darüber reden, dass Vorbilder auch schnell zu was gemacht werden, die fehlerlos sind. Und das ist gar nicht für mich das Kriterium. Also Menschen sind ja fehlerhaft per se. Und auch die ganz großartigsten Menschen sind fehlerhaft und machen manchmal ganz blöde Sachen. Das ist für mich gar nicht, worauf es ankommt, sondern für mich ist meine Mutter inspirierend durch ihre Haltung, wie sie auf die Welt blickt und wie sie ja die Dinge angeht. Und sie hat eine ganz tolle Gabe, mit einem sehr scharfen Blick festzustellen, dass sich die Dinge und die Umstände verändern lassen. Also nur, um ein Beispiel zu nennen. Als ich klein war, wollte meine Mutter irgendwann wieder anfangen zu arbeiten, nachdem ich dann irgendwie in der Schule war. Aber damals gab es noch gar keine Ganztagsschulen. Das heißt, es war schwierig für sie - sie ist Krankenschwester - in das Berufsleben wieder einzusteigen, so richtig, wenn ich immer mittags auf der Matte stehe und irgendwer Mittagessen kochen muss. Als die siebenjährige Luisa. Und daraufhin hat meine Mutter mit anderen Frauen an der Schule eine Nachmittagsbetreuung gegründet und hat so einen Hort ins Leben gerufen, wo wir dann alle hingehen konnten, damit sie arbeiten gehen konnte. Und das ist mir erst im Nachhinein aufgefallen, wie inspirierend das ist und wie wunderbar es ist, wenn man auch die Strukturen erkennen kann, in denen man sich bewegt, aber auch erkennt, dass sie veränderbar sind.
Inka Kiwit: Glaubst du, es ist schwierig, die Mutter einer Klimaaktivistin zu sein?
Luisa Neubauer: Ja, ist also auf jeden Fall nicht ganz stressfrei, würde ich sagen.
Inka Kiwit: Und darf ich fragen, ob bei euch zuhause auch mal unbequeme Handlungen für eine bessere Zukunft akzeptiert sind. Also wird da auch mal lange diskutiert? Oder sind alle Luisas Meinung?
Luisa Neubauer: Uh, ne. Da wird schon bei uns auch viel diskutiert. Und das ist jetzt nicht so ein so ein Klimaaktivisten-Haushalt bei uns.
Inka Kiwit: Kommen wir mal zur Generation Alpha. Also alle, die nach 2010 geboren sind. Die werden ja ihr ganzes Leben in der Klimakrise verbringen. Na, das sind ja jetzt nicht so rosige Aussichten.
Luisa Neubauer: Naja, das sind ja wir alle. Also auch die aus meinem Jahrgang. Ich bin `96 geboren. Wir werden unser Leben in der Klimakrise verbringen und auch meine Geschwister, die noch deutlich älter sind. Also wir reden jetzt mehr darüber, aber die Klimakrise ist seit den 80er-Jahren spätestens im vollen Gange. Und in dem Sinne würde ich mich auch ein bisschen, du hast am Anfang gesagt „Luisa Neubauer, ihr Thema ist die Klimakrise“. Dem würde ich mich total entziehen. Natürlich ist es nicht mein Thema. Es ist das Thema der Menschheit, es ist der Aggregatzustand, in dem wir uns bewegen. Es betrifft uns alle, ob wir wollen oder nicht. Und die Klimakrise, die interessiert sich überhaupt nicht, ob wir sie spannend finden oder nicht, die ist einfach da. Und wir können uns entscheiden, das anzuerkennen oder halt so tun, als würde uns das irgendwie nichts angehen. Aber das ist es ist nicht, keine nachhaltige Einstellung. Weil die Klimakrise wartet ja nicht, dass wir uns irgendwie entschieden haben, ob wir sie jetzt irgendwie angehen wollen und dann nicht.
Inka Kiwit: Es ist ja der zehnte globale Klimastreik, der war. Und ihr und Fridays for Future streikt immer noch. Wie sieht denn der zwanzigste globale Klimastreik aus? Gibt es den dann noch?
Luisa Neubauer: Na, das hängt davon ab, was wir bis dahin machen. Und im besten Fall ist es gar nicht mehr notwendig, dass wir in drei Jahren oder was auch immer, noch weiter so viel protestieren müssen, weil wir schon längst alles umsetzen, was wir umsetzen müssen. Und weil die Politik schon längst verstanden hat, was ab geht und Menschen überall aufhören, die Klimakrise zu ignorieren. Das haben wir in der Hand. Und ich hoffe, ich arbeite jeden Tag daraufhin, mit so vielen anderen, dass die, dass das nicht mehr notwendig ist.
Inka Kiwit: Und wenn man dich fragt, ob du noch Hoffnung hast? Meine Kinder sind die Generation Alpha und fragen mich oft: Ja, Mama. Wird es denn bei uns anders werden?
Luisa Neubauer: Natürlich müssen wir zum Beispiel auch auf die Eltern setzen, dass die auch aus Liebe zu ihren Kindern gegenüber hinterfragen, was sie selbst machen. Wir jungen Menschen alleine werden das nicht hinkriegen können. Das Wichtige ja, und das ist auch so schön. Das ist ja nicht so, als wäre es nur so eine Einbahnstraße. Wir gehen immer tiefer in die Katastrophe rein und am Ende sitzen wir alle griesgrämig in der Ecke und um uns herum toben die Lebensgrundlagen. Sondern wir haben hier eine Wahl zu treffen. Wir können uns entscheiden, ganz viele Dinge rumzudrehen und am Ende retten wir nicht nur das Klima, sondern wir können auch dafür sorgen, dass die Welt von Grund auf gerechter wird. Und das hat so etwas ganz Magisches. Für das es sich so sehr zu kämpfen lohnt. Und also in dem Sinne habe ich Hoffnung. Aber auf die Hoffnung, glaube ich, kommt es gar nicht an. Das Wichtige, was ich habe, ist das Wissen, dass es anders sein kann. Und dann brauchen wir jetzt noch gemeinsam den Mut, das auch umzusetzen.
Inka Kiwit: Kurzer gedanklicher Einschub. Dieses Wissen, von dem Luisa Neubauer eben sprach, das haben wir Journalistinnen und Journalisten auch. Die Faktenrecherche, das zusammensuchen, das Vermitteln von Wissen, das ist unser Job. Aber haben wir auch den Mut dazu, für die Klimakrise immer und immer wieder zu sprechen, sie noch mehr ins Rampenlicht zu holen? Ich habe mich auch während des Interviews gefragt, ob ich mich zu gemein mache mit einer Klimaaktivistin, mich aber dann von diesem Gedanken gelöst. Ich mache mich nicht mit der Person gemein, sondern mit diesem einen Thema. Und dass, da hat Luisa Neubauer recht, ist unser aller Thema. Ganz besonders relevant aber eben für unsere Zielgruppe, die Generation Alpha. Und ich habe mich also entschieden, nur Fragen zu stellen, keine Streitgespräche zu führen. Luisas Meinung zu hören. Und diese Episode dann als weiteren Denkanstoß zu nutzen über unsere Rolle als Journalistinnen und Journalisten, über unsere Arbeit und die Auswahl und Vielfalt unserer Themen.
Inka Kiwit: Wird denn deiner Meinung nach genug über Nachhaltigkeit, über die Klimakrise, über Umweltschutz berichtet?
Luisa Neubauer: Nein, gar nicht.
Inka Kiwit: Was sind denn Umweltthemen, über die deiner Ansicht nach zu wenig berichtet wird? Wovon würdest du gerne mehr sehen hören wollen?
Luisa Neubauer: Naja, über alles. Also ich weiß manchmal nicht genau, was sich Leute vorstellen, wie die Welt funktioniert. Kein Mensch auf der Welt kann einen einzigen Tag überleben, ohne intakte Lebensgrundlagen. Die Luft, die wir atmen. Das Wasser, was wir trinken. Das Essen, was wir essen. Basiert alles auf intakten Lebensgrundlagen. Und es gibt keinen, es gibt kein menschliches Überleben auf einem Planeten, bei dem die Lebensgrundlagen kollabiert sind. Das ist die Realität, vor der wir sind. Und man sagt, jetzt irgendwie, sprechen die Menschen, ein bisschen übertrieben, über Bambuszahnbürste oder sprechen ab und zu mal darüber, dass vielleicht fossile Energie nicht das beste sind. Aber den Leuten klarzumachen und die darüber aufzuklären, darüber zu informieren, was sie gerade auf dem Spiel steht. Das passiert ja kaum. Also und das heißt, man gibt den Menschen schon gar nicht die Gelegenheit, sich bewusst zu machen, was für einem existenziellen Moment wie hier sind. Und wir alle lernen in der Schule ganz selbstverständlich über das Mittelalter. Aber wir wissen alle, was irgendwie 1300 irgendwo in Deutschland für interessante Schlösser gebaut wurden. Und wenn wir jetzt mal überlegen, 500, 700 Jahre in die Zukunft hineingedacht, steht völlig, also steht riesengroß die Frage im Raum, auf was für einem Planeten sollen dann noch Menschen leben. Wir fühlen uns so nahe zu den Leuten der Geschichte, der menschlichen Geschichte und sorgen aber dafür, dass das in die Zukunft hinein gerade einen riesengroß - also so sehr in Frage stellt. Das ist so beklemmend, das ist so absurd und dann schreiben Zeitung alle drei Wochen mal darüber, dass vielleicht irgendwo eine Flut in Indien passiert ist. Oder das es neuerdings ein E-Auto von VW gibt und meinen, das sei genug. Also für was für eine, von was für einer Wirklichkeit geht man da denn aus?
Inka Kiwit: Das heißt - erwartest du von Journalisten und Journalistinnen auch mehr Haltung zu zeigen?
Luisa Neubauer: Ja natürlich. Man muss sich ja grundsätzlich fragen: Was ist denn die Aufgabe des Journalismus? Und das ist ja zumindest, relativ allgemein gesprochen, Missstände aufzuzeigen. Und der größte Missstand, der Menschheit ist die Tatsache, dass wir das, wovon wie existenziell abhängen, gerade behandeln, als hätten wir 17 weitere Planeten irgendwo rumfliegen. Und nach wie vor hat man das Gefühl, Journalisten können ab und zu so ein bisschen übers Klima reden, bloß nicht zu viel. Und dann ist es ja in der Regel irgendwie, ja gerade irgendwie nicht präsent genug. Oder dann kommt irgendwie eine interessante royale Hochzeit dazwischen. Sorry, Deutschland. Könnten wir auch nichts machen, dumm gelaufen. Da darf man auf gar keinen Fall irgendwie die Politik dafür ermahnen, dass sie zu wenig Klimaschutz macht. Dann ist man sofort Aktivistin, als sei Haltungsjournalismus irgendwie eine Sache, die in der Demokratie existenziell ist und notwendig ist, aber in der existenziellen, ökologischen Klimakrise irgendwie verwerflich. Also, da läuft so viel schief. Ich glaube, es geht gar nicht darum, dass man mehr berichtet, sondern dass man sich ganz grundlegend im Journalismus fragt: Was machen wir denn hier eigentlich? Und die Beispiele gibt es ja, es gibt ja schon die Zeitungen, die das Hinterfragen. Ganz prominentes Beispiel ist natürlich der Guardian aus Großbritannien. Der kann sich grundsätzlich überlegt hat, was ist eigentlich unser Selbstverständnis, was ist die Geschichte, die wir uns selbst erzählen. Und wenn wir feststellen, die allermeisten Menschen wissen gar nicht, wie schlimm es um uns steht. Woran liegt es denn? Da liegt es zum Teil natürlich auch daran, dass nicht darüber gesprochen wird in den großen Medien, zumindest in weiten Teilen nicht. Es gibt natürlich Journalisten, die ganz tolle Arbeit machen. Und es gibt auch einzelne Medienhäuser, die ganze Arbeit machen. Es gibt super Programme bei den Privaten und bei den Öffentlich-Rechtlichen, die fantastische Arbeit machen und die immer und immer wieder auch entgegen, natürlich interner Widerstände, sich richtig reinhängen. Dem will ich gar nicht absprechen. Aber vielleicht reicht es nicht mehr zu sagen: Wir machen was, und der Rest guckt mal, wo sie bleiben. Vielleicht müssen wir uns auch zueinander drehen, den Anspruch aneinander richten, zu sagen: Hey, wir bei unserem Sender machen ganz viel. Was macht ihr denn eigentlich?
Inka Kiwit: Vor einigen Filmen erscheint ja der Hinweis, alle CO2-Emissionen wurden mit Zertifikaten ausgeglichen. Green Production, wie findest du das? Ist das der richtige Weg?
Luisa Neubauer: Also weiß ich nicht, ich bin jetzt ja keine Filmexpertin. Und ich glaube, den richtigen Weg in der Klimakrise gibt es erst mal nicht. Dann finde ich super, wenn sich Produktionsfirmen, egal oder grundsätzlich Unternehmen, Gedanken machen, was eigentlich der, die ökologische Last, die wir hier auf die Welt schmeißen, wer gleicht das Aus oder wer vermindert das? Das ist erstmal super. Und dann muss man sich fragen, wie geht man damit um, wenn man feststellt: Hui, hier entstehen ganz viele Emissionen. Und da ist natürlich dieser Ausgleich mit CO2-Zertifikaten auch halt schnell problematisch, weil dann oftmals werden irgendwo Flächen aufgekauft, von irgendwie Indigenen. Dann werden da Bäume gepflanzt, und man denkt jetzt irgendwie, das reicht aus. Aber ist natürlich Quatsch. Unterm Strich, denke ich aber auch, es lohnt sich für uns als Gesellschaft so ein bisschen die Proportion im Hinterkopf zu behalten. Also ja, es ist superwichtig, dass die Filme grün werden, die Produktionsfirmen grün werden. Wir müssen auch dafür sorgen, dass die Kohle-Konzerne aufhören zu baggern. Weil, wenn wir uns die Emissionen angucken, sind unsere Probleme schon auch noch sehr in der fossilen Industrie. Die Leute, die im Film arbeiten, die sind natürlich gefragt sich damit auseinanderzusetzen, was sie für ökologische Schäden produzieren, genauso wie Menschen, die in anderen Konzernen arbeiten. Alle sind gefragt. Es gibt ja niemanden, der außen vorsteht. Und in der Filmindustrie entsteht eine ökologische Belastung wie in allen anderen Industrien. Da muss man sich fragen, wie gehen wir damit um?
Inka Kiwit: Bist du mit dem Kinderkanal von ARD und ZDF groß geworden? Hast du uns quasi konsumiert?
Luisa Neubauer: Ja, aber nicht so viel. Also, wir haben natürlich am Wochenende morgens immer „Tabaluga TV“ geguckt oder „Tigerenten Club“. Und dann in der Schulzeit war natürlich bei uns „Schloss Einstein“ ein großes Ding.
Inka Kiwit: Also „Schloss Einstein" ist zum Beispiel eine unserer Produktion und viele Produktion stellen um auf Grünstrom, stromsparende Beleuchtung – Riesending am Set, umweltfreundliche Materialien. Gibt es noch irgendetwas, was du dir vorstellen kannst? Oder sagst du okay, es gibt wichtigere Dinge.
Luisa Neubauer: Na also wichtig und unwichtig ist da glaube ich gar nicht die Kategorie, weil wir müssen uns hier mit den Dingen beschäftigen. Ich finde es, wenn wir über das grüne Produzieren sprechen, eben auch zu entscheiden, sich zu überlegen: Was sind denn die Inhalte, die wir produzieren? Also was ist denn eigentlich die Botschaft, die von unseren Filmen ausgeht und von unseren Inhalten?
Inka Kiwit: Das heißt, wenn du dir eine Berichterstattung wünschen dürftest, fällt dir was ein, was wir vielleicht ändern sollten, ändern könnten?
Luisa Neubauer: Ich glaube, da bin ich... Ich komme super gerne mal für eine Blattkritik vorbei. Also ich glaube, da müsste ich mich mal wirklich ran rücken. Damit ich jetzt nicht eure, ich kann nicht pauschal irgendwas bewerten, wobei ich mich, glaube ich, nicht gut genug auskenne.
Inka Kiwit: Würdest du das wirklich machen?
Luisa Neubauer: Ja klar, ich bin total gerne bei euch. Und „logo!“ ist unser wichtigstes Medium auf den Klimastreiks.
Inka Kiwit: Noch einmal ich und meine Gedanken. Unsere Kindernachrichten „logo!“ sind ein gutes Beispiel für ausgewogene Berichterstattung. Das Thema Klima, das hat einfach einen sehr großen Stellenwert in der Generation Alpha und "logo!“ berichtet eben auch dort, wo diese Generation anzutreffen ist. Aber klar, auch wir als KiKA. Wir haben unsere Hausaufgaben zu machen: Wie können wir Themen wie Nachhaltigkeit, wie Diversität und Barrierefreiheit, noch gerechter einbringen? Und ein Ansatz ist, indem wir diesen wichtigen Themen Platz geben im Programm. Klar, ausgewogen und eben so, wie unsere Zielgruppe die Themen auch wahrnimmt, mal als total selbstverständlich, wie bei Inklusion und Diversität, mal als drängendes Zukunftsthema wie Nachhaltigkeit. Und in dieser Episode finde ich, ist noch Platz, und den würde ich gerne nutzen. Ich hatte mir im Vorfeld Buzz Words, bestimmte Schlagsätze rausgesucht, die die junge Generation immer wieder zu hören bekommt. Und mich dann spontan im Interview dazu entschieden, Luisa Neubauer darauf antworten zu lassen.
Inka Kiwit: Ich würde gerne so eine schnelle Antworten-Runde mal machen. Sätze, die du und vor allem junge Generationen, wie die Generation Alpha, und für das Klima streikenden junge Menschen so oft hören. Was würdest du den folgenden Aussagen entgegnen: Seid doch nicht so ungeduldig. Es passieren doch schon so viele wahnsinnig gute Schritte.
Luisa Neubauer: Naja, das ist super. Wenn man auch so in einem reißenden Strom paddelt, so einen reißenden Fluss paddelt und ganz langsam, ja Schritt für Schritt, das Ruder ins Wasser setzt, dann wird man trotzdem zurück gerissen. Und das ist, was wir in der Klimakrise haben. Ein guter Schritt in die richtige Richtung reicht leider nicht, weil die Klimakrise eskaliert und beschleunigt sich jeden Tag, jede Stunde. Und Ungeduld ist eine ganz, ganz wichtige Sache, die wir nach draußen tragen müssen.
Inka Kiwit: Andere Themen sind gerade um einiges wichtiger. Man muss die Klimakrise jetzt mal ganz kurz warten und Geduld haben.
Luisa Neubauer: Ja, genau, das ist immer eine supergute, ein superguter Anspruch an ein physikalisches Phänomen zu sagen, dass es sich gedulden soll. Die Klimakrise kann nicht warten, weil sie wird nicht warten. So einfach ist das.
Inka Kiwit: Ihr fliegt doch selbst die ganze Zeit, gerade du. Du fliegst doch selbst die ganze Zeit.
Luisa Neubauer: Also fürs Protokoll. Ich bin seit vielen Jahren nicht mehr geflogen aus verschiedensten Gründen. Aber unterm Strich kommt es darauf gar nicht an. Denn dass die Klimakrise da ist, dass sie gefährlich ist, dass wir schnell etwas tun müssen, das sagt ja ich und viele andere. Dass es genauso war für mich, wenn ich das sage, wie wenn jemand das sagt, der jeden Tag irgendwohin fliegt und Menschen probieren uns persönlich irgendwie anzugreifen, damit das, was wir sagen, so ein bisschen weniger wahr wirkt. Aber so leicht ist es leider nicht. Und dazu glaube ich, ist es wichtig zu unterscheiden, junge Menschen fliegen relativ viel. Warum machen Sie das? Weil es oft viel günstiger ist, als Bahn zu fahren. Und da stimmt was im System nicht, weil eigentlich können wir uns fliegen ökologisch gar nicht leisten. Und das heißt, an der Stelle muss sich ein System verändern und dafür setzen wir uns ein. Es gibt aktuell keine Möglichkeit komplett nachhaltig zu leben in dieser Welt. Auch der größte, großartigste, heiligste Klimaaktivist kann nicht ganz nachhaltig leben, wenn du dich irgendwie in einer Stadt bewegst. Und deswegen müssen wir gemeinsam dafür kämpfen, dass sich die Strukturen ändern und sollten uns auf gar keinen Fall abhalten lassen, von irgendwem, der meint, uns irgendetwas absprechen zu wollen, wenn man schon mal irgendwie geflogen ist oder Fleisch isst oder was auch immer.
Inka Kiwit: Ihr seid ja nur Kinder und Jugendliche. Ihr könnt die Zusammenhänge der Klimakrise überhaupt gar nicht verstehen. Überlasst das doch einfach mal den Erfahrungen mit den Erwachsenen.
Luisa Neubauer: Na das hat Christian Lindner, der heutige Finanzminister gesagt, das war eine seiner weniger klugen Aussagen. Das, was wir als Klimaaktivisten machen, ist zu sagen - und auch als junge Menschen überall – zu sagen: Hey, ihr habt kein Recht, unsere Zukunft zu klauen und die Gegenwart von vielen Menschen in unserem Alter auf anderen Teilen der Welt. Und das können wir sagen. Und wir haben damit recht, weil die Wissenschaft das sagt und wir verweisen auf die Klimaforschung und sagen: Ey, guckt dahin. Wir haben gar nicht den Anspruch, dass wir jedes Molekül und jeden kleinen Mikroprozess in der Geo-Chemie in und auswendig können. Aber darauf kommt es gar nicht an, sondern es kommt darauf an, dass wir anerkennen, die Welt ist in einer Krise und die allermeisten Erwachsenen tun gerade nicht genug, um sie aufzuhalten. Im Gegenteil, viele beschleunigen sie weiter. Und das können wir mit aller Legitimation machen. Und nicht zuletzt haben wir als junge Menschen letztes Jahr vom Verfassungsgericht Recht bekommen. Wir haben letztes Jahr die Bundesregierung verklagt und das Verfassungsgericht in Deutschland, die wichtigste gerichtliche Instanz in Deutschland hat gesagt, wir junge Menschen, wir haben ein Recht auf eine Zukunft. Und Erwachsene, die die verfeuern, die die verheizen, in ihren ganzen fossilen Träumen und ihren ganzen Wahn, weitere Kohlekraftwerke zu bauen. Die haben kein Recht darauf. Und dieses Recht, das ist alles, was wir brauchen.
Inka Kiwit: Verzichtet doch einfach mal auf Netflix, um CO2 zu sparen. Das bringt viel mehr.
Luisa Neubauer: Genau und vielleicht in 20 oder 30 Jahren können wir uns darüber Gedanken machen. Wenn jemand sagen möchte, wir müssen nachhaltig digitalisieren, da bin ich total dabei. Und da würde ich denken: Derjenige, der uns das gerade empfiehlt - was machst du denn eigentlich gerade? Und mit der Digitalisierungsbranche darüber zu sprechen, wie wir nachhaltiger werden können. Leute, die am Seitenrand stehen und Empfehlungen aussprechen, was wir junge Menschen machen sollen gegen die Klimakrise. Die würde ich als Allererste einmal fragen: Hey, ist auch deine Welt. Ist auch deine Klimakrise. Was machst du denn eigentlich gerade? Und wir junge Menschen. Ich glaube, wir müssen dafür sorgen, dass sich die Verhältnisse verändern. Dass auf Netflix mehr Klima gezeigt wird, dass die Klimakrise auch in den großen Filmen stattfindet. Und dann, wenn irgendwer, irgendwo nachhaltige Server installieren möchte und dafür sorgen möchte, dass Netflix regenerativ wird. Bitte Leute, macht das alles. Aber das Einzige, was wir nicht gebrauchen können, sind die Menschen, die meinen, rum zu kommentieren am Seitenrand. Das reicht.
Inka Kiwit: Vielen Dank für die schnelle Fragerunde. Wir haben im WDR einen großartigen Report über die Generation Alpha, der sich mit der Generation im Jahr 2035, 2050, also mit der Generation beschäftigt, wenn sie älter ist. Wenn du mal rumgesponnen, im Jahr 2050, in einer perfekten Welt die Augen öffnen würdest, was würdest du gerne als Allererstes sehen wollen?
Luisa Neubauer: Im besten Falle leben wir in 2050 in einer Welt, in der Kinder nicht mehr freitags ihre Bildung – oder an vielen anderen Tagen eigentlich auch – ihre Bildung, aufgeben müssen um Regierungsversagen auszugleichen. Es hat für mich, glaube ich, was mit einem Lebensgefühl zu tun. Dass Kinder nicht mal Angst für ihre Zukunft haben müssen, dass wir in Großstädten leben können, ohne zu wissen, dass wir Atemwegserkrankung bekommen, weil die Luft so schlecht ist. Dass Menschen sich nicht mehr fragen müssen, ob das Wasser, das sie trinken, sie vielleicht Stück für Stück vergiftet. Dass wir uns wieder in die Augen gucken können, über Generationen hinweg, über Kontinente hinweg, weil wir wissen, dass wir uns nicht gegenseitig in unseren Perspektiven gerade aufs Spiel setzen. Dass Menschen Lust haben, an einer intakten und lebendigen Demokratie teilzuhaben, weil sie wissen die werden ernst genommen in ihren Belangen. Und dass sich die Kurven wieder neigen und wir sehen, dass wir tatsächlich mit dem Projekt Menschheit auf einem guten Weg sind.
Inka Kiwit: Wenn es einen einzigen Punkt gäbe, der direkt morgen umgesetzt werden sollte, für die Zukunft der Generation Alpha. Welcher wäre das?
Luisa Neubauer: Es nicht die eine Sache. Aber eine Sache, die unbedingt gemacht werden muss morgen, müssen wir den Globalen Kohleausstieg beschließen. Das ist rein wissenschaftlich gesehen, fordert auch die UN. Das fordert der Generalsekretär im Grunde, António Guterres. Wenn wir nicht einen globalen, ganz, ganz schnellen Kohleausstieg beschließen, so schnell wie möglich. Dann, also wenn wir das machen, dann haben wir einfach sehr gute Chance, dass sich andere Sachen ändern.
Inka Kiwit: Hast du, Luisa, eine klare Vision, wie die Zukunft der nachfolgenden Generationen aussehen wird, vor allem die der Generation Alpha?
Luisa Neubauer: Naja, ich glaube, ehrlich gesagt, ich freue mich einfach total, wenn diese Generation die Möglichkeit hat, die Sache so wie sie das will zu gestalten. Und dass ihr Platz gemacht wird, dass die Institutionen ganz selbstverständlich junge Leute einbinden. Dass man ganz selbstverständlich die jungen Menschen auch wählen lässt, dass man sie ganz selbstverständlich einbindet in die Frage, was man eigentlich in Schulen unterrichtet und dass man sie nicht mehr an den Punkt bringt, wo ja viele in meinem Alter sind, dass man eine wahnsinnig gute Ausbildung hat, aber dann feststellt, dass in den allermeisten Orten es überhaupt nicht die Möglichkeit gibt, seine Werte mit der Arbeitswelt zu vereinigen. Und dann weiß man, wie schlimm die Welt ist, und muss trotzdem in eine Institution reingehen, in eine Industrie oder ein Unternehmen reingehen, das in keiner Weise der Verantwortung gerecht wird, die wir eigentlich gerade übernehmen müssen. Und ich hoffe so sehr, dass ich das für die, dass sich das ändert. Und möglicherweise muss ich nicht nur hoffen, sondern ich kann auch etwas machen. Und glücklicherweise ist auch die Generation Alpha längst mit uns auf der Straße,
Inka Kiwit: Sagt Luisa Neubauer, Klimaaktivistin und ganz nah dran an der Generation Alpha. Vielen Dank für das Gespräch.
Luisa Neubauer: Gerne, gerne.
Inka Kiwit: Das war insgesamt ein spannendes Gespräch und ich nehme die Denkanstöße auf jeden Fall mit in unserer Redaktion. Vor allem die Denkanstöße über noch mehr Teilhabe. Über noch mehr hinhören, wie ich die Generation Alpha mitgestalten möchte. Und auch, wenn diese Episode hier nur ein bisschen dazu beigetragen hat, sich nochmal und nochmal Gedanken über die Klimakrise zu machen, dann finde ich, dann hat es sich schon komplett gelohnt. Weil nicht die Augen und Ohren zu verschließen, sich für die eigenen Werte einzusetzen, sich intensiver mit der Klimakrise auseinanderzusetzen. Das sind gar nicht mal so kleine, aber so wichtige Schritte. Die Fakten einer wärmer werdenden Umwelt durch den Menschen, die liegen auf der Hand und damit auch zu Recht in unserem Programm.
Inka Kiwit: So und wenn Sie bei unserem Programm hier auch noch weiter mit dabei sein wollen, also unsere nächsten Folgen hören möchten, dann hören Sie immer mittwochs rein. Und zwar alle zwei Wochen. Da gibt es eine neue Episode von „Generation Alpha – Der KiKA-Podcast“. Sie finden uns in der ARD Audiothek, auf den gängigen Podcast-Plattformen, aber auch ganz einfach unter kommunikation.kika.de, das ist unser Kommunikationsportal. Und da gibt es auch alle Transkripte der Folgen zum Nachlesen. Also bleiben Sie gesund. Machen Sie es gut und bis zum nächsten Mal. Ciao.
[Outro] Generation Alpha - Der KiKA Podcast