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Transkript zu Episode 14: „Der Medienjournalismus sollte Kinderprogramme besser berücksichtigen.“ Dr. Astrid Plenk (Programmgeschäftsführerin KiKA) und Thomas Lückerath (Gründer von DWDL.de) sprechen mit Ann-Kathrin Canjé über den Stellenwert von Kindermedien in der öffentlichen Wahrnehmung.

„KiKA hat die Kindermedienwelt maßgeblich geprägt,“ findet Thomas Lückerath. Medienjournalist*innen müssten sich selbstkritisch hinterfragen, wie sehr sie Content für die jüngsten Zielgruppen beachten. Pädagogisch wertvoll müssten für ihn die Angebote keineswegs immer sein.

Thomas Lückerath: Der Medienjournalismus sollte sich, wie in allen - vielen - anderen Bereichen, auch mehr Vielfalt gönnen und dementsprechend auch Kinderprogramme natürlich besser berücksichtigen, weil dass das Medienbild der nächsten Generation möglicherweise prägt. Deswegen halte ich das für sehr, sehr wichtig und muss mir da selber an die eigene Nase fassen. Da kann der deutsche Medienjournalismus definitiv mehr tun, auch wenn es mehr Arbeit macht.

[Intro] „Generation Alpha – Der KiKA-Podcast“

Ann-Kathrin Canjé: Dazu ein ganz herzliches Willkommen, heute von mir - Ann-Kathrin Canjé. Sie haben es gerade gehört. Der Medienjournalismus könnte mehr tun, auch wenn es mehr Arbeit macht. Und das ist auch der Anspruch dieses Podcast, indem wir uns eben genau dieses Feld des Medienjournalismus mal genauer anschauen wollen in dieser Folge. Gesprochen hat da übrigens mein heutiger Gast Thomas Lückerath, ein Experte der Medienkritik. Er hat als - Achtung - Schüler - 2001 das Branchenmedien-Magazin DWDL gegründet, ist dessen Chefredakteur und nimmt dort und auch auf Twitter unsere Fernseh- und Medienlandschaft genauer unter die Lupe. Wie genau er auch auf Kinderfernsehen schaut und welche Qualitätskriterien er da festmacht und welchen Stellenwert Kinderangebote in der Medienlandschaft aktuell überhaupt haben, darüber sprechen wir in dieser Folge gemeinsam. Jetzt fragen Sie sich vielleicht, warum das ein relevantes Thema für die Generation Alpha ist in diesem Podcast. Und ich kann sagen, ich war selbst ganz gespannt, was dahinten bei rauskommt und bin mit vielen Anregungen aus dem Gespräch rausgegangen. Übrigens: Generation Alpha, für die, die heute vielleicht zum ersten Mal zuhören, ist die Generation, die ab 2010 geboren wurde und die in einer komplett digitalisierten Welt groß wird. Einer Welt voller Medieninhalte, die auch schon mal überfordern können. Deshalb ist Einordnung und Kritik etwa von Journalist*innen, die Programmangebote beleuchten und hinterfragen, sehr wichtig. Aber wie kritisiert man eigentlich Kinderserien, Kinderfilme oder ein Kinderradio? Was gilt es zu beachten? Und mit welchem Blick wird da kritisiert? Wie oft kommen Angebote von Kindermedien in der Berichterstattung überhaupt vor? Thomas Lückerath hat dazu einige spannende Gedanken formuliert und vor allem auch viele Zukunftswünsche für die Generation Alpha mitgebracht. Zum Beispiel den hier:

Thomas Lückerath: Ich glaube, da würde dem Medienjournalismus guttun, was uns allen als Menschen guttun würde, dass man sich häufiger in die Rolle eines anderen oder einer anderen reinversetzen kann. Das gilt, glaube ich, für den gesamten gesellschaftlichen Diskurs und eben auch in der Betrachtung von Kindermedien. Weil sie eben nicht für diejenigen gemacht sind, die darüber schreiben. Und das ist, glaube ich, ganz erheblich. Das erfordert mehr Zeit, das erfordert mehr Einarbeitung. Das macht man nicht mal ebenso mit. Und ich glaube, das ist dann der Wunsch an Medienjournalismus und auch der Ansporn, beispielsweise an mich selbst und an mein Team, dass man sich dieses Mehr an Aufwand auch gönnt und macht, damit man vielleicht Kindermedien besser würdigt.

Ann-Kathrin Canjé: Schön, dass Sie da sind, Herr Lückerath. 

Thomas Lückerath: Dankeschön.

Ann-Kathrin Canjé: Und ich begrüße nicht nur Thomas Lückerath zu dieser Folge. Mit uns im Gespräch ist heute auch KiKA-Programmgeschäftsführerin Dr. Astrid Plenk. Frau Doktor Plenk ist in dieser Position seit 2018 bei KiKA und ich freue mich auf ihren Blick in Richtung Qualitätskriterien von Kindermedien und die Berichterstattung darüber. Hallo Astrid.

Dr. Astrid Plenk: Hallo, ich freue mich auch.

Ann-Kathrin Canjé: Wir sprechen in diesem Podcast, ich habe es gerade schon gesagt, über die Generation Alpha. Und ich möchte zu Beginn gerne einen kleinen Blick werfen in Ihre Kindheitstage. In welche Kinderserien-Welt von damals würden Sie denn heute gerne mal eintauchen und warum? Herr Lückerath, fangen Sie doch mal.

Thomas Lückerath: Oh. Also erstmal eine tolle Gelegenheit, wenn das möglich wäre. Ich glaube, es wäre aber die „Gummibärenbande“. Ich erinnere mich an diese Zeichentrickserie und da gab es immer ein unterirdisches Rutschen-System, wenn die zu ihren Einsätzen gerutscht sind. Und ich war immer neidisch auf diese unfassbar große und toll aussehende Rutsche, durch die die dann sozusagen gedüst sind. Und da wäre ich gerne mitgerutscht und deswegen wäre ich wahrscheinlich bei der „Gummibärenbande“.

Ann-Kathrin Canjé: Daran erinnere ich mich auch auf jeden Fall noch und bei „Gummibärenbande“ musste ich an die „Glücksbärchis“ denken.

Thomas Lückerath: Ah.

Ann-Kathrin Canjé: Die mit den Glückssträhnen, da wäre ich immer gerne reingereist in diese Welt.  Astrid, was ist das bei dir für eine Kinderwelt, in die du gern heute mal tauchen würdest?

Dr. Astrid Plenk: Also die „Glücksbärchis“ sind natürlich auch toll. Und die „Gummibärenbande“. Aber ich fand immer ganz toll, bei der „Märchenbraut“ vielleicht dabei zu sein, oder „Die schöne Arabella“. Es hat ja zwei unterschiedliche Titel in West- und Ostdeutschland gehabt und da so zu switchen zwischen der Märchenwelt und der realen Welt, mit ein paar Hilfsmitteln, wirklich Zeitreise zu machen zwischen den Welten -  das hätte ich sehr faszinierend gefunden.

Ann-Kathrin Canjé: Lustig, dass du jetzt genau diese Serie nennst. Die wurde hier im Podcast schon mal als Kinderheldin erwähnt, die Arabella. Und wo wir jetzt schon in den Jugendjahren sind, Herr Lückerath. Sie haben ja DWDL als Schüler gegründet. Was hat Sie denn da so als Jugendlicher interessiert oder beeindruckt, dass Sie dann auf die Idee gekommen sind: Ich gründe jetzt mal ein Online-Medienmagazin.

Thomas Lückerath: Am Anfang, glaube ich, war das gar kein Online-Medienmagazin, sondern ganz einfach Interesse an Fernsehen. Ich bin noch aufgewachsen in einer Zeit ohne Internet. Das kam bei mir dann hinzu, als ich so 15,16, 17 war, da wurde plötzlich Internet erschwinglich für Privathaushalte. Aber ja, ich bin mit Fernsehen aufgewachsen und ich habe mich ein bisschen geärgert, dass ich in Programmzeitschriften in erster Linie Werbung fürs Programm lese. Wenig irgendwie Inhaltliches. Und dann gab es damals teure Branchendienste gedruckt. Die wurden auch nur verschickt an Abonnentinnen und Abonnenten. Und irgendwie fehlte mir da was dazwischen. Dann habe ich im Grunde das gemacht, was man immer so sagt. Man macht das, was man gerne selber lesen würde, irgendwie. Und wir haben einfach mal angefangen. Dass das dann nach 20 Jahren immer noch so sein würde, das habe ich nicht abgesehen, weil meine Eltern auch lange Hoffnung hatten, dass ich noch mal was Vernünftiges machen würde.

Ann-Kathrin Canjé: Zum Glück haben Sie die Eltern aber eines Besseren belehrt. Und es gibt DWDL heute immer noch und da schauen wir gerne mal hin. Denn jetzt zum Beispiel: Mir persönlich begegnet DWDL vor allem bei LinkedIn muss ich sagen. Und als Volontärin ist es mir auch immer aufgefallen, dass ich wusste: Okay, „wenn ich da mal besprochen werde“ oder „Die Leute, die dort besprochen werden, die haben es geschafft“, oder „Die Medien, über die berichtet wird, die sind relevant“. Also unter uns Medienschaffenden ist es schon sehr anerkannt und richtet sich ja eben besonders an die Medienbranche. Aber nicht nur. Wie würden Sie denn den Menschen, die heute zuhören, erklären, wofür DWDL steht?

Thomas Lückerath: DWDL ist ein Branchenmagazin für die Fernsehwelt, aber auch ein kritischer Begleiter des Mediengeschehens. Wir sind für alle lesbar, wir sind nicht kostenpflichtig. Das heißt, jeder und jede, die sich für Medien und Fernsehen interessiert, kann es lesen. Inhaltlich ausgerichtet sind wir aber auf die Branche und ab und an lesen wir der Branche auch die Leviten. Und gerade deswegen halte ich es für sehr, sehr wichtig, dass wirklich alle es lesen können. Das ist für mich so eine Form von information equality. Ein Begriff, den der Guardian mal geprägt hat, damit sozusagen nicht eine fachliche Diskussion einmal auf Führungsebene geführt wird und dann eine andere möglicherweise, ich sage mal, weiter unten im Unternehmen, sondern dass alle auf dem gleichen Stand sind. Und Leidenschaft für Fernsehen ist eigentlich dann auch nach 20 Jahren immer noch unser Antrieb.

Ann-Kathrin Canjé: Astrid vielleicht kannst du ja aus programmverantwortlicher Sicht mal erzählen, wie du DWDL als Branchen-Medienmagazin wahrnimmst.

Dr. Astrid Plenk: Für mich ganz persönlich ist es immer eines der ersten Seiten, die ich frühs aufmache, die ich mittags noch mal angucke, und auch abends, weil DWDL einfach auch so aktuell ist, ja. Wenn sich irgendetwas verändert oder wenn man eine Meldung reinkriegt, dann weiß man sofort, DWDL hat es oben auch positioniert und weiß als erstes mit davon. Für mich ist das wirklich tagtäglich ein Begleiter, wo man einfach und kompakt, tolle Informationen bekommt, aber auch viel Hintergrund. Und von daher schätze ich Ihre Arbeit sehr mit Ihren Kolleginnen und Kollegen.

Ann-Kathrin Canjé: Und zusammen wollen wir heute auch eben auf diese Medienwelt schauen, die da unter anderem auch besprochen wird. Jetzt gibt es DWDL, sie haben es gerade schon gesagt Herr Lückerath, schon gute 20 Jahre, fast so lange wie 25 Jahre KiKA. Aus Ihren Augen würde mich mal interessieren, inwiefern KiKA die Kindermedienwelt geprägt und vielleicht sogar verändert hat?

Thomas Lückerath: KiKA hat die Kindermedienwelt maßgeblich geprägt. Alleine durch die Tatsache, dass wir ein starkes öffentlich-rechtliches Angebot haben, was ich für sehr wichtig halte, weil Kinderserien und Kinderprogramme auch heute erstaunlicherweise noch sehr oft aus dem Ausland kommen. Also die eigentlichen Produktionen, Trickfilme oder teilweise auch Realfilme. Und im Ausland ist Kinderfernsehen ja deutlich unterhaltsamer geprägt. Also nicht ganz so, ich sage mal komplex, wie es in Deutschland gerne gesehen wird, von Eltern auch. Und ich glaube, deswegen ist es ganz wichtig, dass es da eben ein Gegengewicht zu kommerziellen Angeboten gibt.

Ann-Kathrin Canjé: Herr Lückerath, bevor wir darüber sprechen, wie man eigentlich Kindermedien kritisiert, interessiert mich erstmal, welchen Stellenwert so eine Besprechung von oder die Kritik von Kindermedien überhaupt auf einer Redaktionssitzung oder etwa bei der Themenplanung von DWDL hat.

Thomas Lückerath: Offen gesagt eine sehr niedrige Priorität oder einen niedrigen Rang. Das muss man einfach so feststellen. Die Problematik bei Kinderfernsehen ist die, dass man eben über etwas schreibt, was man nicht selber konsumiert. Und das bedeutet oft, dass wir uns dann mal schwerpunktmäßig mit Kindermedien beschäftigen, weil man irgendwie gucken muss, dass man die Aufmerksamkeit bündelt. Also das Vermelden einfach einer neuen Produktion – klar das Nachrichtengeschäft machen wir. Aber das fällt oft schwer für eine neue Sendung Aufmerksamkeit zu generieren. Dementsprechend muss man es mal ein bisschen bündeln und es fällt häufiger hinten über, als ich es mir eigentlich wünschen würde. Muss ich da selbstkritisch sagen.

Ann-Kathrin Canjé: Wenn wir den Rahmen noch mal größer fassen: Was würden Sie denn sagen, welchen Stellenwert haben Kinderangebote in den Medien ganz grundsätzlich?

Thomas Lückerath: Sie haben dann einen hohen Stellenwert, wenn sie pädagogisch wertvoll sind, weil dann kommt die Erwachsenenperspektive zum Zug, dann geht es um das Lehrreiche. Dann geht es um das, was man vermitteln kann. Dann ist es auch so aus dem gefühlten Deutschen, das muss eine zweite Ebene haben. Das muss was mitliefern, dann ist das drin. Und dann wird das möglicherweise auch besprochen. Ich glaube, ganz schwer tut sich die Medienberichterstattung mit einfacher Kinderunterhaltung, wo man also dann noch nicht mal erklären kann, was da Tolles, alles vermittelt wird, sondern man müsste sich tatsächlich damit beschäftigen. Was finden Kinder eigentlich toll an gewissen Programmen? Und das fällt dem durchschnittlichen Medienjournalisten oder durchschnittlicher Medienjournalistin möglicherweise etwas schwerer, weil es eben kein Programm für sie selbst ist.

Ann-Kathrin Canjé: Ja, das spricht auch einen Punkt an, den ich etwa in meiner eigenen Arbeit festgestellt habe. Jetzt zum Beispiel, wenn ich kulturjournalistisch gearbeitet habe, dass da dann die Angebote, die sich explizit an Kinder richten, eher hinten runtergefallen sind. Und ich erinnere mich gerade auch noch an die Worte von Nicola Jones, die war gestern in der Folge zum Thema Kindermedienfestivals. Vielleicht hören wir mal kurz rein:

Nicola Jones: Ein wichtiger Punkt wäre, mehr auch darüber zu sprechen und zu schreiben und zu lesen, zu kommunizieren. Also, sich auch wirklich noch mal über Inhalte auszutauschen. Und ich sag mal im Feuilletonbereich findet Kinderfilm ja kaum statt. Und ich glaube, es wäre schon wichtig, dass wir da noch mehr reingehen und damit auch die Debatte unter Erwachsenen pflegen.“

Ann-Kathrin Canjé: Bekommt denn das Kinderfernsehen genug Öffentlichkeit, um überhaupt wahrgenommen zu werden? Wie sehen Sie das?

Thomas Lückerath: Nein, es bekommt nicht viel Aufmerksamkeit. Allerdings hat es auch das kleine Problem, das gemessen mit dem gesamten Fernsehangeboten in Deutschland, Kinderfernsehen - wäre jetzt meine Beobachtung - überdurchschnittlich oft noch aus dem Ausland eingekauft wird. Also ja natürlich Eigenproduktionen, Magazine, eigene ich sage mal Highlight-Produktionen. Und auch im Fiktionalen gibt's das durchaus mal. Aber die Menge oder die Masse des Programms ist, anders als in den letzten Jahren, im breiteren Fernsehen immer noch sehr stark durch Zukäufe geprägt. Und das macht die Wahrnehmbarkeit natürlich noch mal ein klein bisschen schwieriger, weil das Feuilleton oder Medienjournalistinnen und -journalisten sich natürlich besonders gerne mit Eigenproduktion, mit deutschen Produktionen, befassen. Ich weiß nicht, ob das eine subjektive Wahrnehmung ist oder ob Frau Plenk da eventuell auch was zu sagen kann. Aber ich würde sagen, das macht es halt auch mal ein klein bisschen knifflig, wenn im Grunde 20 Prozent gefühlt Eigenproduktionen sind und der Rest natürlich zugekauft.

Dr. Astrid Plenk: Ja, also für KiKA gilt es gar nicht so, das 20/80 Prozent. Wir haben schon im Vergleich wirklich zu den anderen Kinderangeboten im deutschen Markt einen sehr hohen Anteil an Eigenproduktionen. Deswegen finde ich den Aspekt, den sie aufgeführt haben, zu sagen, Die Eigenproduktion sind auch das spannende, das kann ich total nachvollziehen. Vielleicht kann man da auch bezüglich, sage ich mal, des USP, KiKA noch mal klappern, weil wir viel Eigenproduktion haben, die sogar eben sehr genrebezogen sind. Und das finde ich dann schon manchmal so, dass man denkt: Oh, wir machen im Jahr zwei, drei tolle Webserien. Und man kriegt wenig Aufmerksamkeit damit. Wo sie lokal produziert wird und auch tolle Leute am Start sind. Macht man es im Erwachsenenbereich, hat es natürlich eine andere Aufmerksamkeit. Aber ich verstehe auch den Aspekt. Sie sagen, weil man eben nicht so dicht an dem Programm selbst dran ist - und so geht es uns ja als Macher auch - dass wir immer wieder sagen, wir machen ein Programm für eine Zielgruppe, die uns schon entwachsen ist. Und das ist eine große Herausforderung. Das verstehe ich auch in Ihrer Argumentation sehr gut, wo da Gründe liegen können, warum vielleicht eben die Kinderangebote nicht so fokussiert, besprochen und behandelt werden.

Thomas Lückerath: Wenn ich da was ergänzen darf. Ich glaube, dass da ein Problem bei Kinderprogrammen und der Besprechung von Kinderprogrammen ist ja auch, dass die Leserinnen und Leser von Medienjournalismus dann wiederum Erwachsene werden. Das heißt, man bespricht ja nicht wie bei - also nicht nur für uns Macher und Macherinnen - sondern auch eben für das Publikum für dass man das schreibt. Ich erreiche ja nicht die Kinder, denen ich eventuell eine Empfehlung aussprechen kann oder sagen kann: Da ist was Tolles, guckt euch das an und das ist toll, weil... Sondern man macht es letztlich für die Erwachsenen, sei es jetzt für die Macherinnen und Macher oder eben die Eltern. Das ist natürlich so eine ganz große Krux. Ich meine, wem erzähle ich das. Kinderfernsehen, macht man es für die Kinder oder macht man es für die Erwachsenen? Ich finde ja zum Beispiel, dass der Kinderkanal oder KiKA eben in seiner eigenen Historie ganz schön zeigt, wie man es unterschiedlich denken kann. Denn der Sender ist als Kinderkanal gestartet. Das halten, glaube ich, Erwachsene für eine tolle Beschreibung. Aber Kinder wiederum, weiß ich nicht, ob die das toll finden, wenn der Sender Kinderkanal heißt. KiKA ist griffig, KiKA – da kann ich Fan von sein. Und das finde ich ganz interessant, weil es im Sender selber so ein bisschen das spiegelt. Macht man Fernsehen von Erwachsenen oder macht man Fernsehen für Kinder?

Dr. Astrid Plenk: Finde ich sehr spannend die Herleitung. Das bringt es eigentlich auf den Punkt. Die Diskussion, dass man sagt: Klar, wir stehen für die Zielgruppe der Kinder. Und gleichzeitig sind natürlich Eltern/Erwachsene immer noch in dieser Lebensphase ein sehr wichtiger Begleiter. Und je älter die Kinder werden, je selbstsicherer und weniger behütet, nutzen sie dann auch Medien. Aber das ist halt auch ein Prozess, vor dem sie stehen und wir natürlich auch. Und wir leiten alles ab und sagen: Nein, was hat denn eigentlich das Kind davon wenn wir das so und so machen? Das ist immer die Frage, die bei uns ganz oben drüber steht. Aber die ist dann nicht kompatibel mit dem: Was sagt denn der Kritiker dazu?

Thomas Lückerath: Und ich finde, es gibt noch das große Dilemma, das durch die Tatsache, dass man die Zielgruppe nicht selber erreicht, mit Medienjournalismus über Kindermedien, führt dazu, dass man ja immer, ich sage jetzt mal, die wertvollen Programme betrachtet, weil man will ja die Eltern überzeugen. Das heißt überzeugend ist das, was pädagogisch wertvoll ist. Überzeugend ist das, was in irgendeiner Art und Weise was mitvermittelt. Das heißt auf eine gewisse Art und Weise, würde ich sagen, ist es dann auch immer so ein bisschen sehr verkopft. Also ich würde mich freuen, wenn man es einfach mal über eine unterhaltsame Kindersendung was schreiben würde. Ich glaube, dass würde aber gerade zum Beispiel Tageszeitung sehr schwerfallen. Weil erst, wenn da ein pädagogischer Aspekt mit reinkommt, dann ist es sozusagen wertig genug, damit es den Leserinnen und Leser dieser geschätzten Zeitung dann auch irgendwie wichtig genug erscheint.

Ann-Kathrin Canjé: Eine spannende Diskussion, die da gerade im Gange ist. Also die Frage nach der Zielgruppe, für die die Kindermedien kritisiert wird. Und das Thema „Prädikat wertvoll“, also die Wertung von Kindermedien aus erwachsener Perspektive. Wie wichtig ist der Blickwinkel von Erwachsenen in der Kinderberichterstattung und was genau wird da kritisiert? Rückt man da auch mal die Machart in den Fokus oder geht es bei den Produkten für Kinder immer nur um den Inhalt? Für mich steckt da hinter all dem die Gretchenfrage, die ich Thomas Lückerath gestellt habe. Können Erwachsene aus ihrer Perspektive denn überhaupt Kindermedien kritisieren?

Thomas Lückerath: Ich glaube, grundsätzlich gilt in der Gesellschaft, man muss Menschen zugestehen, etwas zu kritisieren, auch wenn sie es selber nicht ausüben oder wenn sie selber nicht zu der Zielgruppe gehören. Weil sonst haben wir in vielen gesellschaftlichen Bereichen ein Problem und sprechen sozusagen Kritikmöglichkeiten ab. Ja, es wäre schön, wenn man den eigenen Geschmack dann nicht zum Maßstab machen würde, sondern versuchen würde, sich reinzudenken. Also ich meine, der legendärste Aufschrei war ja die „Teletubbies“. Aus heutiger Sicht auch absurd, dass das damals eine so dermaßen große Aufregung war. Das war eine Aufregung von Erwachsenen. Heute ist die Sendung ein Klassiker und würde sozusagen niemanden mehr erregen. Damals waren es die Erwachsenen, die da den großen Wirbel drum gemacht haben.

Ann-Kathrin Canjé: Da spielt ja auch sicherlich das Thema Qualität rein. Was dann vielleicht manche, das behaupte ich jetzt einfach mal, bei den „Teletubbies“ nicht so gesehen haben. Wenn wir jetzt auch mal davon ausgehen, was Sie schon sagten, dass Erwachsene natürlich auch Kindermedien kritisieren können. Lassen Sie uns doch mal auf die Qualitätskriterien schauen, die Sie da ausmachen. Was ist denn Ihr Qualitätsanspruch an Kinderfernsehen oder was bewerten Sie da?

Thomas Lückerath: Qualitätskriterien sind einmal das Handwerk. Ist das wirklich gut gefilmt und gut produziert? Das ist das eine. Dann gibt es so zwei Aspekte, die ein bisschen kniffliger sind. Einmal die Geschichte, weil Geschichten natürlich oft ein klein bisschen simpler sind und ein etwas eindeutigeren Handlungsbogen mit nicht ganz so vielen Nebenschauplätzen. Aufgrund der Länge von vielen dieser Produktion eben und auch aufgrund der Rezeptionsfähigkeit von Kindern. Da kann man jetzt nicht irgendwie lauter Seitenstränge einführen. Das ist das eine, was bisschen schwierig ist, weil dann natürlich aus Erwachsenenperspektive oft kommt: Das ist aber ein bisschen banal. Und das zweite, was glaube ich auch ungewöhnlich ist für erwachsene Kritiker ist das Schauspiel von Kindern. Denn ja, schauspielernde Kinder sind am Ende immer noch Kinder. Da ist vielleicht manchmal ein bisschen was drüber. Das ist vielleicht ein klein bisschen überzeichnet. Ich meine, da kann ich nicht die Kriterien anwenden, die jemand bei einer studierten oder ausgebildeten Schauspielerin… Das geht nicht, die kann ich da nicht ansetzen. Und da ja, gebe ich zu, tue ich mich selber da manchmal auch ein bisschen schwer mit, wie man dann damit umgehen soll.

Ann-Kathrin Canjé: Astrid, deckt sich das mit deinem Qualitätsanspruch an Kindermedien, Kinderfernsehen oder wie siehst du das? Welche Maßstäbe legst du an?

Dr. Astrid Plenk: Ich finde das hat Herr Lückerath sehr gut zusammengefasst. Ich denke, ein Punkt könnte sicherlich auch immer noch - und das ist zwar auch schwierig definierbar - Innovation sein. Wie innovativ ist vielleicht der Ansatz, der dann am Ende total gelungen ist? Ist ja auch immer noch mal eine andere Frage. Und ich finde auch sehr schwierig, was Sie gerade sagten, dass man eben auch die Darstellung von Kindern schlecht bewerten kann, also von daher... Es ist wirklich nicht einfach, das so zu objektivieren, dass man sagen kann, man rastert mal - eins bis drei irgendwie abhaken, sondern es ist natürlich komplexer. Klar, aber die Kriterien sind, glaube ich, wichtig. Gibt es auch nichts gegen einzuwenden. Warum soll man andere Kriterien ansetzen wie bei Erwachsenen? Da sind wir ja auch wieder bei dem Punkt zu sagen, auf der einen Seite will man keine Extrawurst und dann wieder doch. Also das ist ja auch immer so ein bisschen die Balance vom Kinderprogramm.

Thomas Lückerath: Ich finde, es gibt auch noch dann zwei so gesellschaftliche Entwicklung, die auch noch spannend sind, weil man nicht weiß, wie man sie im Kinderfernsehen bewerten soll. Einmal das Thema - ich sage jetzt mal - Gewalt, wobei ich Gewalt im Sinne von Haudrauf-Humor bei gewissen Cartoons oder Zeichentrickserien meine. Also ich meine, ich bin aufgewachsen mit Tom und Jerry beispielsweise. So, da ist dann die Frage inwiefern sind gewisse Dinge noch zeitgemäß? Man selber hat dann als Kritiker vielleicht im Kopf: Naja, ich habe das geguckt und mir hat es nicht geschadet. Oder das war doch… Ich meine, wenn die mit so einem überdimensionalen Hammer aufeinander losgehen oder sich gegenseitig mit überdimensionalen Kochtöpfen die Köpfe einschlagen. Trotzdem hat sich da natürlich möglicherweise in der Wahrnehmung von Gewalt - ist schon ein starkes Wort - aber von so Gekloppe hat sich geändert. Und auch was ich spannend finde, bei Studioshows also, wenn wir jetzt nicht – oder der von Studio- oder Magazinproduktionen - der Wettbewerbsgedanke unter Kindern - das ist ja auch ein ganz spannendes Thema - weil ja auch die Frage ist: Ist das gesund? Also braucht es Wettbewerb? Aber wieviel Wettbewerb? Wie ehrgeizig darf der sein? Und kann man Jungs gegen Mädchen antreten lassen? Oder ist das irgendwie schwierig? Das wären ja noch vor wenigen Jahren klassische, ganz banale Gedanken bei der Gestaltung seiner Sendung gewesen. Das macht es auch noch mal schwierig, weil sich aufgrund der Eltern sicherlich auch nochmal was geändert hat, was gut gefunden wird.

Dr. Astrid Plenk: Finde ich sehr, sehr interessant die beiden Aspekte. Also, sagen wir mal, die Darstellung von Gewalt im weitesten Sinne ist ja auch immer genreabhängig. In Animationen wird ja auch viel mehr zugelassen, also jetzt in allen möglichen Bereichen auch. Wie die Figur aussieht und auch was sie möglicherweise tut, weil es eine gewisse Abstraktion hat. Aber auch da finde ich, muss man gucken, dass es eben viele Sachen gibt, die vor ein paar Jahren noch möglich wären, so einfach nicht mehr erzählt werden oder anders erzählt werden. Und den Wettbewerbsaspekt empfinde ich mega spannend, weil das auch eine Diskussion ist, die wir natürlich auch im Team führen. Wir haben ja einige Sachen, wo es um Wettbewerb geht. Zum Beispiel von ZDF „Dein Song“ oder „Die beste Klasse Deutschlands“ bei uns in Erfurt, wo man ja den Wettbewerb mitführt. Aber er ist eigentlich nicht alles, und das ist, glaube ich, so ein Punkt zu sagen: Wie ist die Dramaturgie? Wie kommt man dann zum Ende? Klar, am Ende kann man sagen, Wettbewerb muss irgendwie mit einem Ergebnis rausgehen. Also gibt es einen Sieger, gibt es eine Siegerin? Das ist schon der Anspruch, aber ich glaube, es ist sehr spannend, wie man sozusagen zu der Ermittlung kommt. Weil „Dein Song“, wo man eine Vorgeschichte hat, von allen Protagonist*innen, die gemeinsam auf eine Reise gehen, wo sie auch zwischen denen was entwickeln kann. Genau wie bei „Der besten Klasse [Deutschlands]“, die treten als Klasse an und erleben natürlich dann damit auch alle Höhen und Tiefen gemeinsam. Also dass es eben nicht so schwarz-weiß erzählt wird, sondern sagt: Ja am Ende des Tages, klar kann vielleicht der Beste gewinnen, aber wenn man sogar noch sagt, man erarbeitet sich das, wie bei der „besten Klasse“, indem man dann wirklich die meisten Fragen beantworten kann, ist es auch relativ transparent. Oder beim anderen Ansatz „Junior ESC“ oder auch „Dein Song“, wo man sagt, das Publikum ist involviert und die können mit abstimmen. Das finde ich auch, sind so Varianten, die glaube ich, diesen Wettbewerbsgedanken schon auch weiterentwickeln und auch ein bisschen facettenreicher gestalten.

Ann-Kathrin Canjé: Wettbewerb ist nicht alles. Wettbewerb kann doch auch weiterentwickelt werden. Stichworte, die in unserem Gespräch gefallen sind, zum Beispiel eben im Hinblick auf Filmfestivals. Thomas Lückerath selbst hatte auch noch über die Bewertung von Kinderfernsehen eben genau dort auf Festivals nachgedacht.

Thomas Lückerath: Da muss ich feststellen als Jurymitglied beim Deutschen Fernsehpreis, da gibt es keine Kinderkategorie. Und das ist es dann was in der Tat schwierig ist, weil dann hat man im Wettbewerb Erwachsenenprogramm und Kinderprogramm nebeneinander. Das funktioniert so in der Vorauswahlrunde ist das immer noch ganz gut, da will man ja auch ein Spektrum an Produktionen abbilden. Und dann irgendwann kommt man zu einer Nominierung von meistens - in den meisten Kategorien - drei Formaten. Und dann kommt man zu einer Frage: ist das etwas schräg, wenn man dann zwei Formate mit einem ganz anderen Budget, mit einer ganz anderen Größe hat und dagegen dann eben eine Kinderproduktion. Das ist für mich eine große Frage noch, die sich stellt. Aber ich weiß auch nicht, ob es eine Kinderkategorie dann lösen würde, möglicherweise schon.

Dr. Astrid Plenk: Also ich sage mal, es würde zumindestens das, was wir ja am Anfang auch diskutiert haben, nochmal eine andere Aufmerksamkeit für das Genre „Kinderangebot“ mitbringen. Weil es einfach eine klare Fokussierung dann nochmal hat und vielleicht eben auch… Man kann auf der anderen Seite sagen, die Vergleichbarkeit nicht so erzwingt. Weil klar, auf der einen Seite denkt man sich: Ja, warum soll jetzt eine Kinderserie nicht nominiert sein innerhalb des großen Spektrums. Es steckt doch genauso viel Handwerk dahinter. Vielleicht nicht so viel Budget, das stimmt. Aber das ist dann manchmal auch wahrscheinlich schwierig, das in einen Topf zu werfen. Und auf der anderen Seite zu sagen: Es auszulagern, sage ich jetzt mal, ist das der richtige Weg? Aber ich finde schon, es würde zumindestens der Vielfalt an Programmangeboten, die es gibt, dann auch Jahr für Jahr, eine gewisse Aufmerksamkeit geben. Wo es dann sicherlich auch leichter fällt zu sagen: Ja hier schreiben wir mal was drüber, hier kritisieren wir, hier gehen wir tiefer rein. Und das kann ja wiederum auch Tor und Tür öffnen, nochmal zu sagen: Ah, an dem Thema bleiben wir jetzt noch einmal weiter dran. Da gibt es nämlich noch mehr. Also von daher kann es eigentlich nur befruchten oder helfen.

Ann-Kathrin Canjé: Also ich fasse mal zusammen. Film- und Fernsehpreise auch als Orte der der Kritik und der Wahrnehmung, die auch wichtig sind um die Kindermedieninhalte publik zu machen. Ja und nachdem wir jetzt so ausführlich darüber gesprochen haben, fassen wir doch gerne nochmal zusammen, auf unserem Medienbetrieb blickend: Was sollten denn wir Medienschaffende beachten? Wie soll Medienjournalismus für Kinder in Zukunft aufgestellt sein, Herr Lückerath?

Thomas Lückerath: Ich glaube, da würde dem Medienjournalismus guttun, was uns allen als Menschen guttun würde, dass man sich häufiger in die Rolle eines anderen oder einer anderen reinversetzen kann. Das gilt, glaube ich, für den gesamten gesellschaftlichen Diskurs und eben auch in der Betrachtung von Kindermedien. Weil sie eben nicht für diejenigen gemacht sind, die darüber schreiben. Und das ist, glaube ich, ganz erheblich. Das erfordert mehr Zeit, das erfordert mehr Einarbeitung. Das macht man nicht mal ebenso mit. Und ich glaube, das ist dann der Wunsch an Medienjournalismus und auch der Ansporn - beispielsweise an mich selbst und an mein Team - dass man sich dieses „Mehr“ an Aufwand auch gönnt und macht, damit man vielleicht Kindermedien besser würdigt. Eben auch, weil zunehmend aus Deutschland tolle Produktionen kommen und man auch da natürlich auf einer zweiten Ebene für uns als Branchendienst auch sagen kann: Mensch, es wäre schade, wenn das übersehen wird. Also nicht nur die Perspektive der Kids, die es konsumieren, sondern eben auch einer Branche, die da aufgebaut wurde und größer wird. Und ich glaube, das würde dem nur gerecht werden.

Ann-Kathrin Canjé: Apropo gerecht werden. Da interessiert mich noch, Herr Lückerath: Wie können denn eigentlich die Kinder in diesen ganzen Prozess mit einbezogen werden? Also KiKA hat zum Beispiel zum 25. Jubiläum den KiKA-Redaktionsrat ins Leben gerufen und da kamen fast 700 Bewerbungen von Kindern zusammen. Und das zeigt ja irgendwie, da ist schon ein Wille zum Mitgestalten da. Mit Blick auf die Kritik von Kindermedien: Gibt es denn da in Ihren Augen ein Weg, wie die Expertise von Kindern mit einfließen kann?

Thomas Lückerath: Das ist sicherlich eine gute Idee. Also auch da wieder gilt: Das wäre wesentlich aufwendiger, als wenn sich ein Kritiker oder eine Kritikerin hinsetzt und da selber schreibt. Aber ja, das macht Sinn. Fände ich eine gute Anregung da mal zu sagen, vielleicht könnte man mit jemandem zusammen eine Kritik schreiben. Sozusagen einfach mal die Worte von Kinderzielgruppen oder von Kindern zu Wort kommen lassen und das dann noch einordnen. Wir haben es bei DWDL noch nicht mit der Kinderzielgruppe gemacht. Aber wir hatten vor Jahren, als es mal die ganzen Onlineangebote für junge Zielgruppen gab, also für junge Erwachsene, dieses Nachrichtenangebot, wo jeder Verlag plötzlich ein eigenes Angebot hatte. Nun, da haben wir gesagt, das schreiben wir jetzt mal nicht als Mitte 30-Jährige drüber, sondern lassen unseren jüngsten Mitarbeiter, der gerade 18 geworden ist, darüber schreiben. Und vielleicht müsste man das dann konsequenter denken, auch wenn man sich in die Kindermedien begibt. Man müsste vielleicht einfach fragen: Was gefällt euch daran gut? Und was gefällt euch daran nicht so gut? Also mit den Kindern, die man es dann gucken lässt. Und gut, das ist wahrscheinlich bei einer Produktion echt schwer zu bewerten. Aber wenn man dann mal so bei drei, vier Produktionen zeigen würde und dann tatsächlich auch mal sieht, dass die Kinder anfangen zu sagen: „Also, das hat mir da aber nie so gut gefallen. Das fand ich viel lustiger, viel unterhaltsamer, oder das hat mich gelangweilt, oder so“, das würde ergiebiger sein. Problem bleibt am Ende natürlich: Lesen werden das nicht die Kinder, sondern die Erwachsenen. Und dann ist die Frage, wenn wir als Journalisten und Journalistinnen uns die Mühe machen, für wen machen wir das dann letztlich? Und da ist es dann wieder wahrscheinlich die Krux, warum sich das viele Medien nicht leisten werden.

Dr. Astrid Plenk: Ich finde das ein sehr guten Vorschlag, aber natürlich immer in der gewissen Mischung. Ich glaube, das bringt ja nichts, wenn nur Kinder die Formate oder die Angebote entsprechend bewerten. Aber in so einer Mischform, wo man sagt, man hat vielleicht die Perspektive wirklich aus der professionellen Sicht desjenigen, der immer Kritiken schreibt, der aus dem Genre kommt und der sich auskennt und auf der anderen Seite ab und zu mal noch mit der Kinderperspektive anzuwürzen, finde ich das schon spannend, weil das natürlich dann wiederum auch in die Branche Signale zurückgibt, dass man auch sagt: Ja, wie können wir uns denn noch verbessern? Wir können uns eigentlich nur verbessern, wenn man Kritik aus unterschiedlichen Perspektiven bekommt. Und das kann natürlich dann schon gutes Signal und auch Hilfe sein.

Thomas Lückerath: Ich glaube, es wäre ganz wichtig, das Kinderfernsehen nicht immer nur wertvoll sein muss, weil ich glaube, das ist so ein bisschen das, was mich etwas irritiert, ob bei Festivals oder eben bei Bewertungen von Kinderproduktionen im Journalistischen. Kinderproduktionen gibt es nur in schlecht und wertvoll. Und ich glaube, es gibt auch gutes Kinderfernsehen, das nicht unbedingt wertvoll sein muss. Weil gerade wenn es eine nachrichtenpolitische, eine weltpolitische Lage gibt - ob es jetzt die Pandemie oder ein Krieg ist - das macht ja der KiKA auch sehr gerne und gut, auch Programme einfach zu liefern, was wirklich einfach nur unterhält. Und ich glaube, da ist es wieder so ein bisschen der Kulturpessimismus aus Deutschland: Kinderfernsehen muss wertvoll sein und wenn es nicht wertvoll ist, dann ist es schlecht. Und ich glaube, dass man diese Achse, die muss man durchbrechen. Das wäre vielleicht das Schöne mit Kindern. Weil Kinder werden nicht sagen: Ach, das ist aber wertvolles Programm. Die werden nur sagen, ob es ihnen gefällt oder nicht.

Dr. Astrid Plenk: Das haben wir jetzt auch beim Kinderredaktionsrat, diese Erfahrung genau gemacht. Dass es eben nicht darum ging: Ah, was bringt mir das? Jetzt habe ich jetzt was gelernt? Kann ich jetzt besser in der Schule sein? Wir sind ja auch kein Schulprogramm. Ja, wir wollen natürlich Unterhaltung mit Mehrwert liefern. Das ist auch, glaube ich, kein schlechter Anspruch das so zu tun. Aber ich finde auch, Information muss ja auch nicht immer trocken und irgendwie hochtrabend sein, sondern gerade fiktionale Projekte sind ja auch sehr sehr wertvoll, indem sie einfach emotional berühren, indem sie auch lange nachhallen. Man erinnert sich daran, man nimmt was raus fürs eigene Leben oder einfach auch nicht. Man hat einfach nur Spaß, dass man es gesehen hat und guckt es gerne nochmal. Ja, und das haben uns die Kinder jetzt zum Auftakt für den Kinderredaktionsrat auch sehr klar gespiegelt. Und auf welche Figuren sind sie gegangen? Auf Bernd das Brot. Weil Bernd einfach Spaß macht. Und da sprudelten die Ideen. Was kann man denn mit Bernd alles noch machen? Aber es kam auch die Idee: Bernd ist einfach eine Figur, die Spaß macht, aber durchaus auch zu sagen: Hm, mit Bernd könnte man aber auch animieren durchaus was zu lernen.

Ann-Kathrin Canjé: Und auch nochmal um auf das Gesagte auch von Herrn Lückerath einzugehen zum Thema Unterhaltung: Auch das kann ja kritisiert werden. Und dann halt eben vielleicht auch mit Themen, die auch in unserem Podcast platziert sind. Zum Beispiel Stichwort Stereotype: Also wie wird denn da unterhalten? Was für Figuren kommen denn da vor? Wie sehen die aus? Wie heißen die? Auch das sind ja dann wieder Qualitätskriterien, die man vielleicht da anbringen kann. Ja, also auf jeden Fall bewegen wir uns da schon mit guten, vielen Gedanken in Richtung Zukunft. Und da würde ich gerne auch zum Ende langsam nochmal in unsere Zukunft blicken. Und zwar, wenn wir das auf das Feld Medienjournalismus schauen: Herr Lückerath, was wünschen Sie sich für die Generation Alpha in Zukunft?

Thomas Lückerath: Eine deutlich ausgeprägtere Medienkompetenz als die Generation, die gerade quasi mit Trial-and-Error aufgewachsen ist, was digitale Medienvielfalt angeht. Denn die Generation wächst in einer volldigitalisierten Welt auf. Die kommt also nicht erst dazu, sondern die ist etabliert und es müsste an uns jetzt liegen, dass wir sicherstellen, dass diese Kinder durch mediale Angebote, aber vor allem auch durch Schulbildung, vermittelt bekommen, wie wichtig es ist zu wissen: Woher kommt etwas? Mit welcher Absicht kommt es? Also da rede ich jetzt nicht von Unterhaltungsprogrammen, wobei auch da durchaus subtil, ja was mitvermittelt werden kann. Aber ich glaube, das wäre mir so unfassbar wichtig, weil wir erleben jetzt gerade eine junge Generation, die quasi zusammen mit den Angeboten erst rausfindet, was man sein will, was man darf und was nicht erlaubt ist. Die Generation Alpha wird die erste sein, die dann hoffentlich auch mit einem klar definierten Rahmen agieren kann. Und die braucht Kenntnis wie sie damit umgeht. Dafür braucht es Medienkompetenz. Und die muss vermittelt werden, auch in den Schulen. Wenn man fragt, was wünscht man sich von Medienjournalismus? Und man gibt als Antwort dann mehr Medienkompetenz bei den Schülern, klingt das vielleicht erst mal komisch. Das Problem, was wir aber heute immer eben schon sehen, ist: In Social Media werden Links geteilt, werden Artikel geteilt, Meinungen geteilt. Und wenn nicht gelernt ist draufzugucken: Woher kommt denn etwas?: Dann nützt Medienjournalismus gar nichts. Weil dann werden einfach drei Meinungen von Freundinnen und Freunden gepostet, die gesagt haben: Ja, aber dass eine coole Sendung. Das ist cool. Das ist das toll. Das muss ich sehen. Und dann ist der vierte Artikel ein medienjournalistischer. Und dann ist gar nicht die Erkenntnis da, dass das andere drei, vielleicht von interessengeleitet oder von Freunden empfohlen und das andere ist Journalismus. Und deswegen sozusagen die Medienkompetenz ist der große Wunsch, den ich habe. Weil, wenn wir keinen Wert mehr darauf legen oder die Generation nicht lernt: Woher kommen Informationen? Dann erübrigt sich Medienjournalismus auch.

Ann-Kathrin Canjé: Davon mal abgesehen. Was braucht es denn genau von diesem Medienjournalismus vielleicht noch mehr?

Thomas Lückerath: Der Medienjournalismus sollte sich wie in allen, vielen anderen Bereichen auch, mehr Vielfalt gönnen und dementsprechend auch Kinderprogramme natürlich besser berücksichtigen, weil das das Medienbild der nächsten Generation möglicherweise prägt. Deswegen halte ich das für sehr sehr wichtig und muss mir da selber in die eigene Nase fassen. Da kann der deutsche Medienjournalismus definitiv mehr tun, auch wenn es mehr Arbeit macht.

Ann-Kathrin Canjé: Astrid, du warst ja auch schon in ein paar Folgen zu Gast, aber wenn wir jetzt auf dem Bereich des Medienjournalismus schauen, was ist denn da deine Zukunftsvision?

Dr. Astrid Plenk: Es wird nicht einfacher werden. Ich finde es auch gut, wenn man für die Generation Rahmen abstecken könnte, einfach in der Kompetenz der Nutzung der Angebote. Ich denke aber, dass die nächsten Jahre auch noch weiter sehr sehr stark davon gekennzeichnet sind, dass eben permanent neue Angebote, neue Distributionswege, Möglichkeiten, die wir im Moment vielleicht noch gar nicht sehen, auch auf uns einströmen und immer mehr auch im Alltag sozusagen eine Rolle spielen. Dass man natürlich nur appellieren kann, zu sagen, wie kriegt man das hin, dass man Kinder und eben auch nicht damit alleine lässt? Sondern dass man hier guckt, welche Möglichkeiten gibt es? Und man kann es auch nicht nur auf Schulen verlagern. Aber ich denke, da ist eine Menge Luft nach oben, um bestimmte Grund-/ Kernkompetenzen, doch irgendwie auch mit Spaß und Freude den Kindern nahezubringen, dass sie sich dann doch durch diesen großen Dschungel an Angeboten und Möglichkeiten, die Angebote zu konsumieren, doch ein bisschen besser noch orientieren können. Das wäre schon sehr gut.

Ann-Kathrin Canjé: Eine Menge Luft nach oben, sagt Astrid Plenk. Sicher auch eine Menge Raum für neue Ideen. Herr Lückerath, kommen wir zu einer konkreten Maßnahme, die sie gleich morgen umsetzen würden. Was würden Sie da in Sachen Medienjournalismus und Kindermedien tun?

Thomas Lückerath: Das Thema in die eigene Redaktion tragen. Das sagt sich natürlich immer so einfach. Und dann legt man es zu den Akten. Aber das wäre sicherlich etwas. Gerade die Idee zu sagen, vielleicht guckt man mit der Zielgruppe zusammen und versucht da so ein bisschen eine Kritik aus ja professioneller Sicht plus Zielgruppensicht hinzubekommen. Und in in meinem Kopf schwirrt der Gedanke rum: Wie würde es den größten Sinn ergeben, Kinderfernsehen beim Deutschen Fernsehpreis besser zu berücksichtigen, ob mit eigener Kategorie oder zumindest mit dem Mut, es auch gegen Erwachsenenprogramm laufen zu lassen? Auch den Gedanken werde ich nochmal mitnehmen.

Dr. Astrid Plenk: Ich finde so eine Maßnahme wie der Podcast hier heute auch sehr gut. Dass man einfach immer im Gespräch bleibt miteinander auf unterschiedlicher Art und Weise. Und dass man das Thema immer wieder hochholt und ja bespricht.

Ann-Kathrin Canjé: Finde ich auch gut. Im Dialog bleiben ist ein gutes Stichwort. Und ich bedanke mich ganz herzlich bei Thomas Lückerath und Dr. Astrid Plenk für diese ja doch angeregte Diskussion. Und schön, dass Sie heute meine Gäste waren.

Thomas Lückerath: Dankeschön.

Dr. Astrid Plenk: Danke!

Ann-Kathrin Canjé: Ich gebe ehrlich zu, als ich das Thema für diese Folge gelesen habe, da habe ich mich erstmal gefragt, wie wichtig das Thema Medienjournalismus für die Generation Alpha eigentlich ist. Und jetzt nehme ich mit, was Herr Lückerath zum Ende unseres Gesprächs nochmal betont hat, wie sehr sich auch Medienkompetenz und Medienjournalismus bedingen. Warum schon Kinder und Jugendliche mitbekommen sollten, was gute und verlässliche Angebote sind und vor allem, dass Medienschaffende auch mal genauer hinschauen sollten, ob wir nur Inhalte bewerten, den wir selber - ich ziehe mich da jetzt mal mit rein - vorab den Stempel „Prädikat wertvoll“ aufgedrückt haben, oder ob wir auch mal die „Teletubbies“ ernsthaft betrachten können. Und ich muss sagen, ich fand es sehr erfrischend, wie selbstkritisch und offen Thomas Lückerath im Gespräch war. Ich bin sehr gespannt, ob sich da beim Deutschen Fernsehpreis und natürlich bei DWDL etwas tut in Sachen Berichterstattung von Kindermedien. Schön, dass sie auch heute bei dieser Podcast-Folge mit dabei waren. Schalten Sie gerne wieder ein. Jeden zweiten Mittwoch begrüßen wir, also entweder meine Kollegin Inka Kiwitt, mein Kollege Daniel Fiene oder ich, Ann-Kathrin Canjé, Sie zu einer neuen Episode. Die hören Sie entweder auf dem KiKA-Kommunikationsportal, in der ARD Audiothek und auf allen gängigen Podcast-Plattformen. Ich freue mich auf sie. Tschüss, bis zum nächsten Mal.

[Outro] Generation Alpha - Der KiKA-Podcast