Medienerziehung

Medienerziehung und die Generation Alpha

Kinder in ihrem Umgang mit Medien begleiten

„Lange verpönt und dennoch Teil der täglichen Praxis des Lebens mit Kindern sind Tablet und Smartphone.“

Erziehen – das Wort legt schon eine Richtung vor: Der oder die eine zieht, der oder die andere wird gezogen. Dies ist eine schöne Idee aus dem letzten Jahrhundert, die zumeist mit dem imaginären Ziel einherging, Kinder von Medien „wegzuziehen“ und möglichst spät und sehr reduziert Fernsehen etc. nutzen zu lassen. Das hat schon damals nur sehr bedingt funktioniert und ist heute schlicht und ergreifend überholt, was schon der Blick auf die Bank am Spielplatz verdeutlicht: Medien und insbesondere das Smartphone haben unseren Alltag so stark verändert, dass auch Eltern nur schwer Pausen ohne Handy ertragen.

Medienerziehung für die Generation Alpha muss insofern anders gedacht und anders umgesetzt werden. Vor allem ist es kein Ziehen, sondern ein Bilden – und die Forschung ist sich einig: Diese Medienbildung ist zentraler und wichtiger als jemals zuvor. Sie beginnt bei den Eltern und der Frage, wie diese mit Medien umgehen, denn ein „Lernen am Vorbild“ ist insbesondere in den ersten Jahren zentral. Lange verpönt und dennoch Teil der täglichen Praxis des Lebens mit Kindern sind Tablet und Smartphone. Sie werden schon sehr früh eingesetzt, um die täglichen Herausforderungen wie das Zähneputzen oder die Vorbereitung des Abendessens zu meistern. Dies ist absolut nachvollziehbar und in der Praxis oft sehr erfolgreich. Dennoch wird eine Rückkehr zum Zähneputzen ohne Shaun das Schaf nur noch gegen viele Widerstände möglich sein.

Gleichzeitig ist es wichtig, den Grund zu sehen, warum es so gut funktioniert: Kinder lieben Geschichten, besonders, wenn sie diese selbst auswählen dürfen, lieben es, sie zu sehen und im Idealfall hinterher den Eltern davon erzählen zu dürfen. Dafür braucht es zunächst grundlegende Bausteine einer Medienbildung und dazu gehört die Kompetenz, das Medium auch wieder ausschalten zu können. Ein weiterer Grund für Generation Alpha und für sie noch mal zentraler als für alle Generationen vor ihnen: Sie müssen lernen, auszuwählen. Dafür braucht es einen Moment der Bewusstwerdung: „Was würde mir jetzt in diesem Augenblick am besten passen, was brauche ich?“

Hier kommt Eltern von Vorschulkindern die Aufgabe zu, Angebote zu machen, einen möglichst sicheren digitalen Raum, z.B. KiKANiNCHEN, zu finden. Wenn Kinder es schaffen, die getroffenen Absprachen über die Anzahl der Folgen oder die Länge der Mediennutzung einzuhalten, haben Eltern einen weiteren wichtigen Baustein gelegt. Fängt dann das Kind irgendwann an, mit den Eltern zu verhandeln, ist ein weiterer Schritt geschafft, die eigenen Interessen wahrzunehmen, einzufordern und dann doch Kompromisse einzugehen. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Problem- und Konfliktlösung. Wenn es dann noch gelingt, dem Kind einen Blick nach innen in das „Wie geht es mir?“ nahezulegen und über Gedanken zu dem, was gerade gesehen wurde, ins Gespräch zu kommen, wird auch noch die soziale und kommunikative Kompetenz gestärkt.

Medienbildung ist immer auch kulturelle Bildung, zum einen, dem Kind eine Vielfalt an verschiedenen Angeboten – von der Animationsserie, über Wissensformate, Kindernachrichten bis hin zu Dokumentarischem und Kinderfilmen – vorzuschlagen; aber auch, hinter die Kulissen zu schauen und zu erkennen, wessen Interessen verfolgt werden.

Nicht zuletzt ist es das Ziel von Medienbildung, Kindern die gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen und kreativ das mit Medien auszudrücken, was ihnen wichtig ist. Denn, auch wenn Zukunftsprognosen schwierig sind, die Zukunft der Generation Alpha wird wahrscheinlich noch digitaler, noch globaler und noch vernetzter – und das in Kombinationen mit einer zunehmenden Anzahl an Naturkatastrophen, Krisen und Regierungen, die das eigene Wohl über das der Gemeinschaft stellen.

Medienbildung ist bei all dem eine Zukunftskompetenz, bei der wir Kinder begleiten und für ihren Weg Grundbausteine setzen können.

Dr. phil. Maya Götz ist Medienwissenschaftlerin und Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) und des Kinderfernseh-Festivals Prix Jeunesse.

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