Beratung
Hilfe holen ist kein Zeichen von Schwäche
Die heranwachsende Generation wächst nicht sorgenlos auf. Im Gegenteil: Immer mehr Kinder und Jugendliche in Deutschland nutzen Hilfs- und Beratungsangebote wie die „Nummer gegen Kummer“ oder den „KUMMERKASTEN“ (KiKA). Aktuellen Studien zufolge hat die Zahl von jungen Menschen, die unter psychischen Problemen leiden, zuletzt deutlich zugenommen. „Sich Hilfe zu holen ist kein Zeichen von Schwäche, das sollten Kinder unbedingt wissen“, betont die Fachberaterin Sabine Marx vom „KUMMERKASTEN“.
„Es wird immer gleich ein wenig anders, wenn man es ausspricht.“
- Hermann Hesse
Die Zeiten sind unsicher. Neben der Klima- und der Energiekrise, der Corona-Pandemie gibt es Krieg – mitten in Europa. Und all das geht auch an Kindern in Deutschland nicht spurlos vorbei. Umso mehr berührt es Sabine Marx, wenn Kinder den Mut aufbringen, sich bei Beratungsstellen wie dem „KUMMERKASTEN“ zu melden. Oft erlebt sie, dass sich Kinder in der anonymen Online-Beratung oder in der Telefonberatung zum ersten Mal trauen, darüber zu reden, was sie wirklich bedrückt. „Und dann machen sie die Erfahrung: Okay, es ist möglich, dass ich das in Worte fasse. Mir wird geglaubt. Ich werde nicht verurteilt. Und da ist jemand, der hört zu, und der überlegt mit mir gemeinsam, was können nächste Schritte sein.“ Genau an diesem Punkt setze dann die Beratung an, erklärt die „KUMMERKASTEN“-Expertin Sabine Marx, die auch als Leiterin der Diakonie-Onlineberatung für Kinder und Jugendliche tätig ist.
„Wir sollten die Sorgen der Kinder wahrnehmen und reagieren, wenn sie Ängste haben“, appelliert Sabine Marx auch an die Eltern. Wichtig sei, dass sie Kindern in solchen Situationen ein Gefühl der Geborgenheit geben, für feste Strukturen im Alltag, für Rituale und Routinen sorgen und vor allem abends eine möglichst ruhige Atmosphäre scha!en.“ Und ihren Kindern signalisieren: „Ich bin für dich da, hier bist du in Sicherheit, ich beschütze dich.“
Statt Liebeskummer: Heute stehen psychosoziale Themen ganz oben
Ganz gleich, ob Kinder oder Erwachsene: Niemand müsse sich dafür schämen, Beratungsangebote zu nutzen, sagt Sabine Marx. Der Schritt, sich Hilfe zu suchen, sei vielmehr ein Zeichen der Stärke. Zwischen 75 und 100 Nachrichten erreichen das „KUMMERKASTEN“- Team pro Woche. Tendenz steigend. Mit welchen Problemen sie sich bei KiKA melden? „Kinder schreiben wirklich über alles, was sie beschäftigt“, so die Expertin. Besorgniserregend sei jedoch, dass es heute oft um psychosoziale Themen gehe. Demnach haben viele Kinder Ängste, Selbstzweifel, fühlen sich allein oder ausgegrenzt. „In den Jahren seit ich das mache, lag Partnerschaft, Liebe, Verliebtsein, Liebeskummer, alles rund um dieses Thema, immer auf Platz 1, wenn wir die Themenstatistik ausgewertet haben. In der Pandemie-Zeit hat sich das geändert“, so Marx.
Aus ihrer Sicht zeigt sich hier eindrücklich, dass Kinder gerade eine sehr herausfordernde und anstrengende Zeit erleben. Sie berichtet von einem Kind, das kürzlich geschrieben hat: „Ja, ich werde morgens wach, bin traurig. Ich gehe abends ins Bett, bin traurig. Manchmal kommen mir die Tränen und ich weiß gar nicht, warum ich jetzt weine. Ich weiß nur, dass alles irgendwie schwer ist, und ich so ein bisschen die Freude verloren habe.“ Das klingt sehr belastet. Andererseits sei es auch wenig erstaunlich, dass Kinder eine Krisensituation, wie wir sie gerade erleben, nicht völlig gleichgültig und unbeeindruckt hinnehmen können, sagt Sabine Marx und zitiert den Schriftsteller Hermann Hesse: „Es wird immer ein wenig anders, wenn man es ausspricht.“
Wichtig sei es jetzt im Sinne der „Selbstwirksamkeit“, das Vertrauen der Kinder in das eigene Können und die eigenen Fähigkeiten zu stärken. Kinder müssen die Erfahrung machen, dass sie der schwierigen Situation, in der sie sich befinden, nicht hilflos ausgeliefert sind, sondern sie die Lage beeinflussen können. Sich Hilfe holen, sei hier ein erster wichtiger Schritt. „Beratung ist im Grunde ein Gespräch, das zur Entlastung dient. Sie ist gut für alle Menschen, die in ihrem Alltag gerade Dinge erleben, bei denen sie sagen: Krass, da wünsche ich mir jetzt Unterstützung. Oder: Hier würde es mir guttun, wenn ich mit jemandem darüber reden oder darüber schreiben könnte.“